Zwischen Hörsaal und Demos: Wie der Kampf für Palästina Charifas Leben verändert
Am siebten Oktober überfiel die Terrororganisation Hamas Israel. Seit dem Angriff wurden viele Zivilist:innen getötet. Für ihre Rechte setzen sich h_da-Studierende wie Charifa ein.
Es ist ein Konflikt, der seit etwa drei Jahren die Meinungen vieler Menschen weltweit spaltet. Am siebten Oktober überfiel die Terrororganisation Hamas Israel. Bei diesem Massaker wurden Hunderte getötet und etwa 150 Menschen entführt. Im Bestreben, die Geiseln zurückzubringen, erklärte Israel der Hamas den Krieg im Gazastreifen. Seit dem Angriff wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums von Gaza mehr als 50.000 Zivilist:innen getötet (Stand März 2025). Diese Zahlen konnten bisher von keiner unabhängigen Instanz überprüft werden. Israels Kriegsvorgehen gerät seither immer wieder in die Kritik. Vorwürfe wie Kriegsverbrechen bis hin zum Genozid werden der israelischen Regierung gemacht.
Viele Studierende gehen wegen dieses Konflikts auf Demonstrationen, um sich für die Palästinenser:innen einzusetzen. Charifa gehört auch zu ihnen und engagiert sich seit drei Jahren als Aktivistin in Darmstadt und Umgebung. Auf dem Campus der Hochschule Darmstadt erzählt sie von ihren Erfahrungen als Aktivistin. Auf dem Campus der Hochschule Darmstadt erzählt sie von ihren Erfahrungen als Aktivistin.
Wer ist Charifa?
Charifa ist 22 Jahre alt und studiert Soziale Arbeit am Hochschulcampus Darmstadt. Zu Beginn der Offensive Israels im Gazastreifen begann sie mit ihrer aktivistischen Arbeit. Die gebürtige Darmstädterin fand ihre ersten Schritte im Aktivismus vor drei Jahren in Frankfurt. Dort engagierte sie sich bei der studentischen Initiative der Goethe-Universität „Students for Palestine“. Vor etwa einem Jahr beschlossen sie und ein Kommilitone, eine ähnliche Gruppe auch an ihrer Hochschule zu gründen. „Hochschule for Palestine“ ist nun durch Demonstrationen, Infostände und Spendenaktionen für Palästina in Darmstadt aktiv. Doch Charifas Aktivismus bringt auch Konsequenzen mit sich.
Das Interview im Video
Bedürfnis nach Gerechtigkeit liegt in der Familie
Neben dem Studium arbeitet Charifa an einem Darmstädter Gymnasium in der Mittagsbetreuung. Ihr Einsatz für soziale Gerechtigkeit wurde ihr bereits in die Wiege gelegt. Ihre algerischstämmige Familie setzte sich schon früh mit der Kolonialgeschichte Algeriens auseinander. Ihr Großvater kämpfte für die Unabhängigkeit des Landes von der französischen Kolonialherrschaft. „Wenn man aus einem Volk stammt, das Jahrhunderte lang unterdrückt wurde, dann setzt man sich automatisch für andere Völker ein.“ Charifa sieht Parallelen zwischen der Geschichte Algeriens und der aktuellen illegalen Besetzung palästinensischer Gebiete durch Israel. Das motivierte sie umso mehr, sich für die Rechte der Palästinenserinnen und Palästinenser einzusetzen.
Der „Aktivismus-Prime”
Schon vor 2023 engagierte sich Charifa für soziale Gerechtigkeit, insbesondere für Kinderrechte, gegen Wohnungslosigkeit sowie gegen verschiedene Formen von Diskriminierung von Menschen mit Migrationsgeschichte. Den Höhepunkt ihres aktivistischen Engagements erlebte Charifa laut eigener Aussage im Herbst 2023. Diese Zeit bezeichnet sie als „Aktivismus-Prime“. Aus ihrer Sicht veränderte sich in dieser Phase der „Umgang zwischen Aktivistinnen und Aktivisten und den Behörden deutlich”. Ebenso wurden vermehrt pro-palästinensische Demonstrationen abgesagt. Gründe dafür waren unter anderem nicht fristgerechte Anmeldungen, Sicherheitsbedenken oder Versammlungen in Schutzzonen.
Dennoch hatte Charifa das Gefühl, für ihr Engagement Repressionen ausgesetzt zu sein. Sie selbst empfand ihre Meinungsfreiheit als eingeschränkt. Laut Charifa setze ein großer Teil der Gesellschaft in dieser Zeit Solidarität mit Palästina mit Antisemitismus gleich. „Da wird direkt eine Parallele gezogen, die es gar nicht so gibt.” Damit konnte sie sich nicht identifizieren. Ihrer Meinung nach ändert sich dieser Ton derzeit, was sich auch auf den Demonstrationen zeige.
Ängste einer Aktivistin
Sich aktivistisch zu engagieren, kann viel Kraft kosten. So sieht es auch Psychotherapeutin Katharina Simons. Im Interview mit dem Deutschlandfunk erklärt sie, warum politisch und aktivistisch engagierte Personen ein erhöhtes Risiko für Burnouts haben. Ein Grund sei der hohe eigene Antrieb, etwas bewirken zu wollen. „Da war manche Handlungsmotivation stärker als die selbstfürsorgliche”.
Auch vor ihrer Zeit als Pro-Palästina-Aktivistin, hatte Charifa mit Sorgen und Bedenken zu kämpfen, die sich auf ihre mentale Gesundheit auswirkten. Besonders kämpfte sie mit der Wahrnehmung von außen über ihr aktivistisches Engagement im beruflichen Kontext. ,,Als Aktivist hat man immer die Sorge: ´Was passiert, wenn mein Job davon erfährt?´´Was denken die Leute auf der Arbeit darüber?”. Auch vor rassistischen Anfeindungen musste sie sich besonders schützen. Durch ihr öffentliches Engagement für Palästina hat sich nicht nur das öffentliche Ansehen der Aktivistin geändert, sondern auch die Sorge um Auswirkungen für ihre Familie im Beruf. Diese Ängste nahmen sie auch emotional mit.
Nachrichten, die zeigen, welche Auswirkungen, Pro-Palästina-Aktivist: innen begegnen, verstärken diese Bedenken. Am 25.März dieses Jahres wurde die türkische Doktorandin Rumeysa Öztürk auf offenen Straßen von der U.S.- Heimatsschutzbehörde verhaftet. Laut Abc News hatte sie ein gültiges Visum und arbeitete an der Tufts University bei Boston. Ihre Verhaftung folgte, nachdem sie einen Israel kritischen Artikel mitverfasst hat. Daraufhin drohte ihr die Abschiebung. Die Bilder ihrer öffentlichen Verhaftung kursierten im Internet und bewegten auch Aktivist:innen wie Charifa. ,,Es macht vielen Menschen schon Angst, weil das keine irreale Angst, sondern Wirklichkeit ist.” Was ihr in dieser Zeit hilft, ist zu wissen, dass sie nicht allein ist. Charifa weiß, an welchen Stellen sie sich Hilfe für mentalen und emotionalen Support holen kann. Aber sie redet auch mit ihren Mit-Aktivisit:innen, die dieselben Herausforderungen bewältigen.
Erste Begegnung mit der Polizei
Ein prägendes Erlebnis, das Charifa wohl nicht vergessen wird, war ihre Verhaftung während einer Demonstration. Am 14. Oktober fuhr sie gemeinsam mit vielen anderen nach Frankfurt, um am Opernplatz an einer der ersten großen Pro-Palästina-Versammlungen teilzunehmen. Kurz vor Beginn wurde die Versammlung von der Stadt Frankfurt abgesagt. Die Demonstrierenden waren jedoch bereits vor Ort. Während eines Wortgefechts begann die Polizei, Teilnehmende abzuführen, darunter auch Charifa.
Obwohl Angst und Verunsicherung ihre ersten Reaktionen während der Eskortierung durch die Polizei waren, legten sich diese Gefühle schnell. Um sie herum richteten sich zahlreiche Handykameras auf das Geschehen. Zudem war sie nicht die Einzige, die festgenommen wurde. Die Solidarität der Anwesenden vor Ort gab ihre Sicherheit. Auf die Verhaftung folgte ein Platzverweis durch die Stadt Frankfurt. Für den restlichen Tag durfte sie das gesamte Stadtgebiet nicht mehr betreten. Außerdem erhob die Stadt Anzeige gegen sie, welche jedoch kurz darauf fallen gelassen wurde. Diese erste Festnahme sollte sie dennoch weiter begleiten.
Über Nacht auf TikTok bekannt
Charifas Festnahme wurde von Mitdemonstrierenden mit Handykameras gefilmt. Was sie nicht wusste: Die Aufnahmen landeten später auf TikTok. Am Tag nach ihrer Verhaftung wachte sie mit zahlreichen Nachrichten aus dem Bekannten- und Freundeskreis auf, die mitteilten, dass sie viral gegangen sei. In dem Video soll zu sehen gewesen sein, wie Charifa sich während der Demonstration mit einem Polizisten unterhielt. Als sie die Kamera bemerkte, lächelte sie und zeigte ein Peace-Zeichen. Das Video verbreitete sich sogar international.
Charifa wurde von vielen Seiten erkannt. Sei es in Bus und Bahn, durch Nachrichten von der Familie aus Algerien oder von Männern, die sich bei ihr meldeten, um das eigene romantische Interesse ihr gegenüber auszudrücken. Auch wenn es sich für Charifa zunächst seltsam anfühlte, in der Öffentlichkeit zu stehen, hat sie sich mittlerweile daran gewöhnt. Sie sieht es inzwischen positiv, dass ihr Gesicht mit palästinensischer Solidarität verbunden wird. So kann sie als Ansprechpartnerin auf dem Campus fungieren.
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