Mitglieder des Cricket-Teams Ziegelbusch von rechts nach links: Huong B., Ananya P., Nupur K.
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TG 1875 Ziegelbusch: Cricket ist auch Frauensache

Cricket hat eine lange Geschichte. Doch Frauen sind bis heute im Sport kaum vertreten. Für das Team vom TG 1875 Ziegelbusch stellt sich schon die erste Hürde beim Finden eines Trainingsplatzes. 

Die Sonne steht hoch am Himmel an diesem Sonntagvormittag in Darmstadt. Auf dem Thermometer geht die Anzeige immer weiter nach oben und die im Herrengarten heimischen Wildenten nutzen den Teich ausgiebig. Einige Spaziergänger haben Sonnenschirme dabei. Trotz des brühenden Sommerwetters ist der Herrengarten gut besucht. Warum auch nicht? Schließlich findet dort das 47. Sport- und Spielefest statt.

Das Sport- und Spielfest gibt es seit 1979 jedes Jahr. Hauptsponsor ist das Unternehmen Merck. Von Taekwondo über historisches Fechten bis hin zu Quidditch ist hier alles vertreten. Sämtliche Vereine aus und um Darmstadt sind im Park versammelt. Zwischen verschiedenen Essensoptionen bieten sie einen kleinen Einblick in ihren Sport. Unter den Anwesenden ist auch das Frauenteam des Cricket-Vereins von der TG 1875 aus dem Sportpark Ziegelbusch.

47. Sport- und Spielfest im Herrengarten in Darmstadt zum ersten Mal mit Cricket

Wie geht eigentlich Cricket?

Cricket ist ein Mannschaftssport und Schlagballspiel. Jedes Team sollte elf Spieler zählen. Das Spielfeld ist meist eine ovale Rasenfläche mit einem Durchmesser von 100 bis 140 Metern. In der Mitte befindet sich der Pitch, eine 20 Meter lange Spielbahn. An beiden Enden sind die sogenannten Wickets aufgebaut, diese bestehen aus drei senkrechten Stäben und zwei kurzen Querhölzern. Hier findet der Schlagabtausch statt. 

Ein Team wirft, diese haben die Rolle der Bowler. Das andere schlägt, diese übernehmen die Rolle der Batsmen. Die Schlagmannschaft schickt zu Beginn zwei Batsmen ins Spiel. Die Feldmannschaft steht vollzählig auf dem Feld. Ziel der Schlagmannschaft ist, den Ball wegzuschlagen oder das Gegenüber zu einem Fehler zu bewegen, um Punkte zu erzielen. Sobald der Ball weggeschlagen wurde, laufen die beiden Batsmen zwischen den Wickets hin und her. Je öfter sie die Strecke zurücklegen, desto mehr Punkte bekommt das Team.  Die Teams wechseln die Rollen, sobald zehn der elf Batsmen aus dem Spiel geworfen wurden. Das Team, das jetzt schlägt, muss die bereits gemachten Punkte aufholen.

Die Sportart lässt sich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Erstmals erwähnt wurde sie 1597 in England unter dem Namen Kreckett. Durch die Kolonialisierung kam der Sport dann auch nach Indien und in die Karibik. Von dort aus verbreitete sich der Sport in Australien, Südafrika und Neuseeland. Die Regeln des Sports wurden erstmals Mitte des 18. Jahrhunderts schriftlich festgehalten.

Die Miniaturversion des Spielfeldes, die von der TG 1875 aufgebaut wurde, wird von den umherlaufenden Gästen im Herrengarten immer wieder angesteuert. Das kleine Feld macht neugierig. Trotz der Hitze scheint einer der Jungs das Spielfeld gar nicht mehr verlassen zu wollen. Sein Eis hat sich in der Obhut seines Freundes bereits verflüssigt. Bälle zu treffen hat für ihn Vorrang.

Cricket als Frauensport

Die jungen Frauen sind dieses Jahr zum ersten Mal auf dem Sport- und Spielfest vertreten. Nupur K. ist die Team-Kapitänin. Der Medizinerin liegt viel daran, den Sport in Deutschland voranzutreiben. „Mein Mann spielt, meine Söhne werden auch damit anfangen. Da kam der Gedanke ‘Ok, was mache ich?’ So hat das für mich alles angefangen“, erzählt sie. Aktuell ist ihr Team aus Ziegelbusch aber noch zu klein, um selbstständig anzutreten. Beim Frauenteam aus Rüsselsheim besteht das gleiche Problem. In dieser Saison können die beiden Teams gemeinsam als Team an der Bundesliga teilnehmen. „Wir sind aktuell zu sechst. Ich hoffe, dass wir bis zur nächsten Saison ein komplettes Team haben“, erklärt die geborene Inderin.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Sport auch in Deutschland in organisierter Form gespielt. Zu Beginn gab es allerdings nur Männerteams. Frauen finden laut Nupur heutzutage weiterhin kaum Vereine, die sie trainieren lassen. Spielerinnen aus ganz Deutschland fragen bei den Vereinen in ihrem Umkreis an, um eine Gelegenheit zum Trainieren zu bekommen. Eine Aufgabe, die schwierig ist. Viele Vereine verneinen die Anfrage wegen des Aufwands und der Kapazitäten. 

Nupur erklärt: „Wenn Männer uns nicht unterstützen, bleiben wir irgendwie in der Luft. Auf dem Spielfeld liegt nicht nur eine Matte, so wie wir sie hier aufgebaut haben. Da sind auch schwere Holzplatten dabei, die wir Frauen allein nicht aufbauen können.“ Nupur hat, als sie mit dem Sport anfing, schnell gemerkt, dass auch sie als erfahrene Tänzerin im Bereich Fitness noch Luft nach oben hat. „Ich habe immer gedacht, dass ich fit bin. Durch Cricket habe ich gelernt, dass es viele Arten von Muskelkater gibt, die ich noch nie erlebt habe“, sagt sie.

Das Team aus Ziegelbusch trainiert seit Januar dieses Jahres beim TG 1875 in Darmstadt. Das Männerteam hatte zusätzlich ihren Trainingsplan angepasst, um den Frauen das Spielen zu ermöglichen.

Die Spielerin Huong B. mit der Trikotnummer 10 fügt hinzu: „Beim Cricket haben wir durch das Equipment mehr Gewicht, mit dem wir spielen. Es geht auch um Schnelligkeit.“ Nach ihrer Aussage haben Frauen öfter Probleme mit der Fitness als Männer. Das zeige sich auch beim Cricket. Das zusätzliche Gewicht verlangsame die Spielerinnen. Die Muskulatur und Ausdauer müsse erst einmal aufgebaut werden. „Das kann durchaus demotivierend sein“, sagt sie.

Erfolgserlebnisse als Motivator

Trotz der Hürden sei der Sport sehr erfüllend für sie. Das Gefühl, das sie in den Armen bekomme, wenn der Ball richtig getroffen wird, sei für sie eines der ausschlaggebenden Ereignisse beim Cricket. „Da hat es dann Klick gemacht. Ich nehme mir immer vor, einen neuen Skill pro Jahr zu lernen. Mit Cricket sind es gefühlt hundert.“

Huong erzählt ebenfalls von ihrem größten Erfolgserlebnis. Im ersten Bundesligaspiel der Mannschaft trat die noch unerfahrene Gruppe gegen ein Team mit einer Nationalspielerin an. „Ich hatte wirklich Angst, dass wir richtig schlecht abschneiden“, sagt die junge Frau. Schlecht gespielt hat das Team im Endeffekt nicht. Einen Ball der Nationalspielerin wegzuschlagen, sei dabei ein ganz besonderer Moment gewesen und habe sie noch mehr motiviert, am Sport zu bleiben. „Da war mein Mann auch ganz stolz“, erzählt Huong strahlend. 

Das Team wünscht sich, nicht nur als Cricket Team Ziegelbusch an Wettbewerben wie der Bundesliga teilnehmen zu können. Die Hoffnung ist auch, den Sport zu fördern und mehr Unterstützung von etablierten Vereinen zu erhalten, sodass Frauen leichter Trainingsmöglichkeiten finden.

(Bilder von Merle Vorschulze)

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