Das flüssige Gold der Rhein-Main-Region
Der „Ebbelwoi“ ist in Darmstadt und hessenweit mehr als nur ein Getränk. Er verbindet Menschen, prägt die Region und ist sogar hessisches Kulturerbe.
Du kannst ihn pur, sauer- oder süßgespritzt trinken. Manche trauen sich sogar, ihn mit Cola zu mischen. Das grenzt in der Region rund um Darmstadt allerdings schon fast an eine Straftat. Die Rede ist vom Apfelwein. In der Rhein-Main-Region wird er auch gerne „Ebbelwoi“, „Äppler“ oder „Stöffche“ genannt.
Wie der Name schon verrät, besteht das Stöffche größtenteils aus Äpfeln. Meist kommen diese von Streuobstwiesen, werden dann gekeltert und vergoren. Durch diesen natürlichen Gärprozess entsteht der charakteristische, leicht herbe Geschmack, der den Ebbelwoi so beliebt macht. Normalerweise hat Apfelwein einen Alkoholgehalt zwischen fünf und sieben Prozent. Je nach Region, Apfelsorte und Herstellungsweise kann das Aroma von fruchtig-mild bis hin zu kräftig-säuerlich variieren.
Apfelwein ist Kulturerbe
Seit 2022 ist die hessische Apfelweinkultur sogar Teil der UNESCO-Liste des Immateriellen Kulturerbes in Deutschland. Dazu gehören neben dem Apfelwein noch der Bembel und das Gerippte. Wer’s nicht kennt: Ein Bembel ist ein traditioneller Krug mit blauen Verzierungen, der benutzt wird, um den Apfelwein einzuschenken – und zwar in ein Geripptes, ein Glas mit Rautenmuster.

Ein klassisches Geripptes gefüllt mit Apfelwein.
Angela Dorn, die damalige Ministerin für Wissenschaft und Kunst, sagte 2022 in einer Pressemitteilung des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung, Kunst und Kultur: „Von der Streuobstwiese, die als ökologisch wertvoller Lebensraum die Landschaft prägt, über die traditionelle Herstellung des Apfelweins – bis heute vorwiegend in Familienbetrieben oder Keltergemeinschaften – bis zu Gaststätten und Festen ist die Apfelweinkultur seit Jahrhunderten ein wichtiges Element hessischer Identität“.
Der Apfelwein ist also viel mehr als nur ein Getränk in Hessen. Er verbindet Generationen, denn oft wird das Wissen um die Kelterei innerhalb von Familien weitergegeben. Egal ob im Garten oder in traditionellen Apfelweinwirtschaften, meist wird der Ebbelwoi zum Mittelpunkt von geselligen Runden. So ist das Stöffche ein wichtiger Bestandteil der hessischen Kultur und geht weit über den reinen Genuss hinaus.
Das Laternchen: Apfelwein trifft auf Kirschlikör
Wenn du schonmal in einer Darmstädter Kneipe warst, dann wirst du bestimmt bemerkt haben, dass der Apfelwein auch dort sehr beliebt ist. Ganz besonders für Darmstadt ist das alkoholische Getränk Laternchen. Das verdankt seinem Namen dem leuchtenden Bild, das beim Servieren entsteht: ein rotes, mit Kirschlikör gefülltes Sektglas, sinkt in einen Maßkrug, der gefüllt mit goldgelbem Apfelwein ist und erinnert so von der Optik an eine kleine Laterne. Dieses auffällige Erscheinungsbild hat dem Darmstädter Kultgetränk seinen Namen gegeben.

Beim Trinken vermischen sich die beiden Flüssigkeiten, was zu einem besonderen Geschmack führt: „Bei einem Laternchen gibt es einfach diese leckere und einzigartige Mischung, durch den Kirschlikör schmeckt es schön süß“, sagt Marco, der aktuell seinen Master in Verkehrswesen an der TU Darmstadt macht. Er lebt seit einigen Jahren in Darmstadt und studiert dort.
Der 27-Jährige kann sich noch ganz genau daran erinnern, als er das erste Mal ein Laternchen probiert hat. Das war in seiner Orientierungswoche zu Beginn seines Studiums, als er gemeinsam mit anderen Studierenden in die Kult-Kneipe Hotzenplotz ging: „Dann hieß es, das Laternchen ist hier in Darmstadt so ein Ding und das müssten wir unbedingt mal probieren“.
Gesagt, getan. Es wurde eine Runde bestellt, Marco probierte und war positiv überrascht. Es habe ihm sehr gut geschmeckt: „Bis heute sind dann echt noch viele weitere gefolgt, und seitdem ist das Laternchen für mich das Go-to-Getränk, wenn ich in Bars oder Kneipen in Darmstadt unterwegs bin“.
Volksfest rund um den Ebbelwoi
Nur wenige Kilometer nördlich von Darmstadt hat in Langen dieses Jahr zum 50. Mal das Ebbelwoifest stattgefunden. Ein Volksfest, das sich vier Tage lang rund um das Kultgetränk Hessens dreht. Neben Fahrgeschäften, wie einem Riesenrad oder dem Autoscooter, gibt es viele Stände und Lokale, an denen der ein oder andere Ebbelwoi ausgeschenkt wird.

Viel los auf dem Langener Ebbelwoifest.
Heinz-Georg Sehring ist seit 2010 der Brunnenwirt beim Langener Ebbelwoifest. Er ist „sozusagen der Repräsentant dieses Festes“. Seine Aufgaben sind dabei sehr vielfältig. So schenkt der Brunnenwirt unter anderem Apfelwein aus, der sogar direkt aus einem Brunnen gezapft wird, aus dem normalerweise Wasser fließt. Zudem krönt Heinz-Georg den besten selbst gekelterten Ebbelwoi und tauft sogar Menschen – natürlich mit Apfelwein: „Das ist immer eine Gaudi, ich mach’ das auch sehr kräftig und die Leute werden dann auch richtig nass über dem Kopf“. Durch die Taufe mit Ebbelwoi werden die Getauften zu echten Langenern.
Für Heinz-Georg ist der Apfelwein ein echtes Alleinstellungsmerkmal und Aushängeschild von Hessen, vor allem in der Rhein-Main-Region. Besonders ist der Ebbelwoi für ihn, „weil er im Verhältnis zu anderen alkoholischen Getränken einen geringeren Alkoholgehalt hat und auch mal ein Glas mehr getrunken werden kann“. Der Apfelwein sei erfrischend und für den Gesundheitsstand bekömmlich und förderlich. Solange nicht übertrieben wird, denn Alkohol ist immer nur bewusst zu genießen.

Der Ebbelwoi kommt direkt aus dem Brunnen.
„Apfelwein bringt Menschen zusammen“
„Der schmeckt echt weniger nach Apfel, als ich gedacht hatte“, sagt Leyla, die auf dem Ebbelwoifest zum ersten Mal einen sauergespritzten Apfelwein probiert. Die Studentin nimmt einen weiteren Schluck und stellt fest, dass es doch schon recht säuerlich schmeckt. Sie verzieht leicht das Gesicht. Normalerweise trinke sie kaum Alkohol, da dieser für den Körper auf Dauer schädlich sei. Trotzdem findet Leyla, dass „der Apfelwein schon Menschen zusammenbringen kann, vor allem jetzt hier auf dem Ebbelwoifest und das ist natürlich etwas Schönes“. Ob sie in Zukunft nochmal einen Ebbelwoi trinken wird, lässt die 22-Jährige offen. Wenn sie das nochmal tun sollte, dann aber mit viel Wasser gespritzt.
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