Von Aushilfsjob bis BAföG-Antrag: Studieren in Darmstadt
BAföG soll Studierenden unabhängig von ihrer finanziellen Situation die Ausbildung ermöglichen: Allerdings stellt sich die Frage: Reicht BAföG Studierenden überhaupt zum Leben?
Wenn man als Student:in für sein Studium nach Darmstadt zieht, kann das ziemlich teuer werden. Miete, Lebensmittel und Semesterbeitrag kommen zusammen und sorgen für eine beträchtliche Summe, die nicht jeder bezahlen kann. BAföG soll denjenigen, die diese Kosten nicht mit der Hilfe ihrer Eltern oder eigenem Kapital bestreiten können, unter die Arme greifen. Aber heute sehen sich die Studierenden in Darmstadt und Dieburg eher Problemen der Studienförderung konfrontiert – angefangen mit der grundsätzlichen Höhe der Förderung über die lange Dauer der Bearbeitung eines Antrages bis zur Erreichbarkeit des zuständigen Amtes.
Was ist eigentlich BAföG?
Eigentlich wurde das Bundesausbildungsförderungsgesetz, so BAföG in voller Länge, 1971 ins Leben gerufen, um bei jungen Menschen Bildungschancen zu eröffnen. Diese Förderung kann als monatliche finanzielle Stütze zum Studienstart beantragt werden. Für die Höhe des Betrages sind Bedarfssätze festgelegt.
Der jetzige Höchstsatz für daheim wohnende Studierende beläuft sich auf 534 Euro. Der Bedarfssatz für Studierende, die nicht mehr bei ihren Eltern wohnen und ihre Krankenversicherung selbst zahlen, beträgt 992 Euro. Aber reichen die Beträge allein aus?
Wofür geben Studierende ihr Geld aus?
Für das Sommersemester 2025 beträgt laut einer Untersuchung des Moses Mendelssohn Instituts der durchschnittliche Preis für eine WG in Darmstadt rund 492 Euro. Dafür wertet das Institut in Zusammenarbeit mit dem Portal WG-gesucht.de die Inserate mit Angeboten und Suchanfragen aus.
In Dieburg hat die Kreisagentur für Beschäftigung eine Richtlinie erstellt. Nach dieser werden die angemessenen Unterhaltskosten definiert und über die Höchstmiete im jeweiligen Ort informiert. Beispielsweise würde eine Wohngemeinschaft aus zwei Personen bei einer Wohnungsgröße von 60 Quadratmetern über 690 Euro als Kaltmiete kosten.
Mit der Miete ist aber nur ein Teil der tatsächlichen Ausgaben gedeckt. Schließlich zählen noch die Lebensmittel, Kleidung, Beitrag zu der Krankenversicherung sowie Mobilfunk auch zu den monatlichen Ausgaben. Zumal jedes Semester der Semesterbeitrag winkt, der nun für das Wintersemester 2025/2026 auf 382 Euro angestiegen ist. Laut dem Studierendenwerk in Darmstadt runden sich die monatlichen Ausgaben dann auf ungefähr 1.000 Euro hoch.
Diese Beträge sind aber natürlich wiederum von dem Alter und des Lebensstils der jeweiligen Person abhängig und können deswegen auch weniger oder mehr als die durchschnittlichen 1.000 Euro betragen.
Aber wie lebt es sich tatsächlich in Darmstadt oder Dieburg? Die beiden Studierenden Lisa und Nick erzählen.
Geghostet vom BAföG-Amt
Lisa* erzählt per Video-Call von ihrer Erfahrung mit der Studienförderung. Sie studiert im vierten Semester Onlinejournalismus an der Hochschule Darmstadt. Eigentlich wohnt die 21-Jährige in einer WG in Dieburg und bezieht BAföG. Da sie allerdings ihr Praxissemester absolviert, ist sie für diese Zeit zu ihren Eltern gezogen. Und dementsprechend verändert sich auch ihre Förderung. Vor ihrem Praxissemester betrug ihr BAföG 855 Euro. Seitdem sie ihr Praktikum begonnen hat, erhält sie rund 100 Euro weniger.
Für ihre WG zahlt sie insgesamt 500 Euro Miete, Nebenkosten inklusive. Darauf folgen weitere Ausgaben wie Tanken, Lebensmittel und Semestergebühren. “Es hat sich schon immer ganz gut gedeckelt. Ich musste jetzt nie so wirklich krass darauf achten von wegen ‘Kann ich mir jetzt noch das Toast am Ende des Monats leisten?’”, sagt sie. “Aber es war auch nicht so, dass ich mir alles mitnehmen konnte, was ich haben wollte.“
Neben dem Studium ist sie gelegentlich arbeiten gegangen, trotzdem spielt BAföG eine relevante Rolle in ihrem Budget. “Ich könnte, glaube ich, ohne das BAföG, nicht das studieren und so leben, wie ich jetzt lebe.“ Zwar unterstützen ihre Eltern sie finanziell, aber dort sieht sie auch Grenzen. „Wenn ich jetzt noch mal warten müsste, bis der Antrag durch wäre und das wären drei, vier, fünf Monate, dann wäre das möglich. Aber nicht für immer.“
Ihre Erfahrung mit ihrem BAföG-Amt reichen von nicht oder sehr spät beantworteten E-Mails bis hin zu schwerer Erreichbarkeit ihres:r Sachbearbeiters:in, aber auch die Unsicherheit bei ihrem Folgeantrag, ob sie weiterhin BAföG bezieht. Dort sieht sie Möglichkeiten, dem System unter die Arme zu greifen. Dazu gehören die Verkleinerung der Zuständigkeitsbereiche der Sachbearbeiter:innen, die Einrichtung einer weiteren Hotline für Fragen und einen KI-Chatbot, der einem:r bei Fragen zur Seite steht.
Dennoch findet sie die Unterstützung wichtig. „Ich finde BAföG so gut, weil einfach das Problem besteht, dass Bildung an Geld festgemacht ist. Es gibt so viele Menschen, die sich nicht leisten können, sich weiterzubilden und die dann auf der Strecke bleiben. Das bricht die Gesellschaft in Arm und Reich auf. Und das hat zur Folge, dass Bildung auch aufgeteilt ist.“
Ohne BAföG nur noch Nudeln mit Pesto
Nick, 27 Jahre alt, studiert im zweiten Semester im gleichen Studiengang wie Lisa und wohnt in Darmstadt. Am Campus der TU Darmstadt ganz in der Nähe des Herrngartens bricht er seine monatlichen Ausgaben auf. Insgesamt erhält er 860 Euro BAföG. Die Hälfte fließt in sein Zimmer im Studentenwohnheim. Dafür zahlt er 460 Euro. Darin eingeschlossen sind auch Internet und weitere Nebenkosten.
Aber auch weitere Ausgaben fallen an wie der Handyvertrag, Krankenkassenbeiträge, Lebensmittel und andere Rechnungen. Diese finanziert er sich neben seinem BAföG mit seinem Nebenjob in einem Möbelhaus auf Aushilfsbasis. Er erklärt: „Mein Budget reicht mir aber auch nur, weil ich meinen Nebenjob habe, um das damit aufzustocken. Ansonsten wäre das Leben sehr sparsam und es gäbe nur noch Nudeln mit Pesto.“
Für Nick ist die Studienfinanzierung ein wesentlicher Grund, warum er studiert. „Ohne BAföG würde ich nicht studieren können und auch das Leben in Darmstadt wäre nicht möglich. Ich hätte jetzt auch nicht den Zugang zu meinem schönen Studiengang.“ Wäre er nicht BAföG-berechtigt gewesen, hätte er vielleicht seinen alten Job als Koch wieder aufgenommen.
Aber auch er hat nicht nur positive Erfahrungen mit dem BAföG-Amt gemacht. Genau wie Lisa kennt er die Unsicherheit, die mit dem BAföG-Antrag einhergeht. „Es wäre schon schön, auch zum Start des Semesters eine Sicherheit zu haben, damit viele Studenten nicht irgendwie im Loch stehen oder in der Schwebe hängen und auf das BAföG warten müssen“, wünscht er sich.
Ob lange Wartezeiten oder auch schwere Erreichbarkeit – Nick hat selbst die Erfahrungen gemacht und kennt sie aus seinem Umfeld. „Die Kommunikation ist wunderbar, wenn man permanent über zwei Wochen anruft, bekommt man jemanden an die Leitung.“ erzählt er humorvoll. Deswegen fügt er als Tipp an alle zukünftigen Studierenden hinzu: „Wenn man sich früh um sein BAföG kümmert, ist die Wahrscheinlichkeit, dass man später keine Probleme hat, viel höher.“
Letztendlich findet Nick aber, dass BAföG zugänglicher für alle sein sollte. „Besonders auch im Studium, wo es um Erfahrungen und um eine eigene Entwicklung geht. Gerade für junge Forschende und Studierende ist es schön, einen Zugang für einen Berufseinstieg zu haben.“
Das Interview zum Artikel
*Der Name der Person wurde geändert
Bild: Andee Taissin auf Unsplash
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