Ein Jahr Cannabis-Legalisierung in Darmstadt – und jetzt?
Kiffen im Herrngarten? Kein Problem mehr. Anbauen im Verein? Weiter ein bürokratischer Albtraum. Zwei Stimmen aus Darmstadt erzählen, was sich seit der Cannabis-Legalisierung verändert hat.
Seit April 2024 ist Cannabis in Deutschland teillegalisiert. Besitz und Konsum sind erlaubt und der gemeinschaftliche Anbau über Vereine möglich. In Darmstadt wird die neue Freiheit unterschiedlich erlebt. Kevin (Name geändert) ist regelmäßiger Konsument und genießt das entspanntere Rauchen im Alltag. Yannick kämpft als Vorstand des Cannabis Social Clubs Darmstadt (CSC) mit Papieren, Paragrafen und Behörden.
„Man fühlt sich einfach nicht mehr ausgegrenzt“
Kevin kifft regelmäßig und seit einem Jahr mit einem ganz anderen Gefühl: „Ich hab keine Panik mehr, wenn ich mal einen Joint draußen rauche. Klar, immer noch nicht überall, aber die Polizei ist deutlich lockerer geworden.“
Für ihn ist vor allem die neue Selbstverständlichkeit wichtig: „Vorher war das immer so ein paranoides Ding mit Verstecken und Ausreden parat haben. Jetzt fühlt sich das Ganze irgendwie normaler an.“ Auch gesellschaftlich merkt er einen Unterschied: „Die Diskussionen sind sachlicher geworden, und ich werde mit weniger Stigma konfrontiert.“
Was ihm fehlt? Entspannte, legale Abgabestellen. „Nicht jeder hat Bock, sich direkt anzumelden in einem Verein oder so.“ Und: „Ich würde feiern, wenn’s mehr Aufklärung gäbe über Sorten, Wirkung, Risiken und so.“
280 Mitglieder – und trotzdem kein Start
Yannick ist Vorstand des Cannabis Social Club Darmstadt, Teil des bundesweiten Vereins „Marianna“: „Wir haben eine e.V.-Eintragung, die kam nach sechs Monaten. Normalerweise dauert das drei bis vier Wochen.“
Seitdem sei der Club lizenzfähig, aber ohne Immobilie und mit immer neuen Auflagen geht es nicht weiter. „Wir haben die Satzung angepasst, Konzepte geliefert und dann kam der Vorwurf, wir würden zu viel Prävention machen.“ Dabei sei das Gegenteil der Fall: „Wir machen Prävention für unsere Mitglieder, nicht auf der Straße.“ Trotzdem läuft in Darmstadt einiges: „Wir haben aktuell 280 Mitglieder, damit waren wir im Gesamtverein zeitweise auf Platz sechs, sogar vor Berlin.“ Die Nachfrage sei riesig, aber: „Wir können den Leuten noch nichts zeigen. Keine Lizenz, kein Anbau, keine Abgabe.“
„Man darf legal konsumieren – aber bleibt irgendwie auf der Bremse“
Beide erleben die Legalisierung als halben Fortschritt. Kevin sagt: „Ich klick mich jetzt einfach durch wie in ’nem Tee-Shop: Indica, Sativa, Hybrid, und dann kommt’s diskret nach Hause. Keine Streckmittel, keine shady Hinterhöfe mehr.“
Was Yannick ärgert, sind die Regelungen zur Fahrtauglichkeit in Bezug auf Cannabis. „Wenn man regelmäßig konsumiert, kommt man nie auf diese 3,5 Nanogramm. Selbst wenn man nüchtern ist, bist du im Zweifel dran. Das ist nicht fair.“
Yannick sieht hier vor allem die Politik in der Pflicht: „Wir haben motivierte Leute, ein funktionierendes Konzept und dürfen trotzdem nicht loslegen. Dabei geht’s nicht ums Kiffen. Es geht um Verantwortung, Struktur und endlich ernst gemeinte Entkriminalisierung.“
In Hessen tut sich was – aber langsam
Während viele Clubs noch auf grünes Licht warten, gibt es in Hessen erste Fortschritte: Die „Broccoli Buddies“ aus Schlitz im Vogelsbergkreis und ein weiterer Verein im Kreis Gießen haben als Erste ihre Anbaugenehmigungen erhalten. Insgesamt sind beim Regierungspräsidium Darmstadt bisher 27 Anträge eingegangen – darunter auch der CSC Darmstadt. Doch viele Vereine kämpfen weiterhin mit Auflagen, Formularen und langen Wartezeiten.
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