Kohle machen auf dem Flohmarkt – geht das?
Mal wieder knapp bei Kasse? Warum dann nicht mit einem Flohmarktverkauf die Finanzen etwas aufzubessern? Aber funktioniert das auch? Eine Reportage vom Flohmarkt im Dieburger Schlossgarten.
Dieburg, Freitagnachmittag, kurz nach 15 Uhr. Im Schlossgarten am Rand der Altstadt ist an diesem heißen Sommertag einiges los. Schon in weniger als 24 Stunden verwandelt sich der sonst eher ruhige Ort in den größten Flohmarkt der Stadt und wird so zu einem wahren Paradies für Schnäppchenjäger. Autos fahren langsam über den Kieselsteinweg. Um die große Wiese im Park werden Tische, Bänke und Pavillons ausgeladen und für den nächsten Tag aufgebaut. Ein paar Passanten gehen teilnahmslos vorbei. Andere haben es sich im Schatten auf den Parkbänken gemütlich gemacht und schauen dem Treiben interessiert zu.
17 Uhr. Die ersten Aussteller sind nach dem Aufbau wieder verschwunden. Der Flohmarkt ist bereit für den Verkauf.
Flohmarkt aus Sicht der Kreislaufwirtschaft

Jonas Barth, Experte für Kreislaufwirtschaft am Institut für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen in Darmstadt, findet das Konzept von Flohmärkten positiv: „Flohmärkte sind aus kreislaufwirtschaftlicher Sicht das Paradebeispiel, gebrauchte Waren an den Mann beziehungsweise an die Frau zu bringen und dadurch einen weiteren Nutzen zu schaffen. Denn der Weiterverkauf von Produkten ist nicht nur ressourcenschonend, sondern auch gut für den CO2-Fußabdruck. Auch ist es ökonomisch effizienter, Produkte weiterzugeben, als sie beispielsweise zu recyceln. Es müssen keine weiteren Prozesse angetrieben werden, um das Produkt wieder funktionsfähig zu machen. Generell gilt: Jedes Produkt, das nicht erst neu gefertigt werden muss, entlastet die Umwelt und ist besser für den Kreislauf.“
Trödel, Treffpunkt und Tradition
Seit fast dreißig Jahren organisiert die Junge Union Darmstadt-Dieburg den Flohmarkt im Schlossgarten. Er ist bekannt für sein buntes und vielfältiges Angebot. Der Aufbau eines Verkaufsstandes ist von 15 Uhr am Freitag bis 5:45 Uhr am Samstag möglich. Eine vorherige Anmeldung ist nicht erforderlich. Die Standgebühren variieren je nach Größe. Allgemein gilt ein Preis von vier Euro pro Quadratmeter. Hinzu kommt eine Müllkaution von zehn Euro. Der Markt ist von 6 bis 13 Uhr für potenzielle Käufer:innen geöffnet.
Die Schnäppchenjagd kann beginnen
Samstagmorgen, 9 Uhr. An einem der vielen Stände steht Vicky, Mitte zwanzig mit ihren Freund:innen Jack und Vanessa. Für sie hat der Flohmarkt deutlich früher begonnen. Um 5:45 Uhr, um genau zu sein. „Ich habe heute Nacht kaum geschlafen“, sagt Vicky etwas müde. „Eine Stunde vielleicht.“ Dennoch ist die Stimmung an ihrem Stand gut. Aus einer Musikbox schallt entspannte Musik. Die ersten Käufer:innen sind schon da und nutzen die kühlen Morgenstunden, um entspannt und ohne Gedränge über den Markt zu schlendern.

Vicky verkauft Kleidung, Küchenartikel, eine große Auswahl an Büchern und CDs, Schmuck, Kosmetikartikel und eine sehr gut erhaltene Nikon-Spiegelreflexkamera. Experte Jonas Barth findet die Produktpalette von Vicky gut: „Produkte, die sich meiner Meinung nach gut für einen Flohmarktverkauf eignen, sind zum Beispiel Klamotten, also alles im Bereich Textilien. Dann sind Fahrräder absolut prädestiniert. Ich habe neulich erst ein Rad über Kleinanzeigen verkauft, das hat super funktioniert. Da kann man super Schnäppchen machen, was für alle Parteien von großem Vorteil ist. Was ich auch noch sehe, sind Einrichtungsgegenstände generell, also Möbel und Tische. Entscheidend ist: Man muss über den Flohmarkt laufen und denken: „Oh, guck mal, hier dieses Teil sieht doch geil aus, das würde ich gerne haben.“
Vicky geht freundlich und offen auf ihre Kund:innen zu. Sie nennt für das jeweilige Produkt den Preis und kommt mit Interessent:innen ins Gespräch. Bezahlt werden kann entweder bar oder per PayPal-QR-Code. Den Umgang mit der Kundschaft hat sie bei einem Fast-Fashion- Unternehmen gelernt. Dort hat sie als Verkäuferin gearbeitet und auf ihre Einkäufe Rabatte erhalten. „Da sammelt sich einiges an Kleidung“, sagt sie.
Für den Experten Jonas Barth ist Vicky als Flohmarktverkäuferin ein gutes Beispiel für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft. Denn sie hat einen entscheidenden Punkt verstanden: das Bewusstsein für Produkte. Barth wünscht sich von der Gesellschaft ein stärkeres Bewusstsein darüber, welche Ressourcen verwendet werden sowie die Bereitschaft, bei manchen Dingen Abstriche zu machen. „Damit meine ich gar nicht mal, dass grundsätzlich weniger konsumiert werden soll oder man sich mehr einschränken soll, sondern dass man schaut, wo die Produkte herkommen und inwiefern diese weitergegeben werden können. Insofern: Verkaufen statt wegschmeißen.“




Mitten in wilden Verhandlungen
Vicky ist aus purer Leidenschaft auf Flohmärkten unterwegs. Dafür nimmt sie das frühe Aufstehen gerne in Kauf. „Mir geht es nicht darum, viel Geld einzunehmen. Ich möchte, dass die Sachen weiterhin getragen und benutzt werden und sie glückliche Käufer:innen finden. Schön wäre es, wenn ich am Ende des Tages zumindest die Standgebühren drin habe. Eine bestimmte Summe, die ich heute einnehmen möchte, habe ich jedoch nicht.“
Für Vickys Freundin Vanessa ist es der erste Flohmarktverkauf. Doch Verkaufen an sich ist nichts Unbekanntes für sie. Sie arbeitet nämlich in einem Duty-free-Shop am Frankfurter Flughafen. Barth findet Flohmärkte sehr vielversprechend für den privaten Verkauf: „Auf Flohmärkten hat man aus meiner Sicht den Vorteil, dass man eine Plattform hat. Die Leute kommen einfach vorbei und schauen sich um. „Man muss also nicht extra Werbung machen, um Kundschaft zu gewinnen. Außerdem ist es oft günstiger als neu.“
Vicky verkauft ihre Kleidung für ein bis zwei Euro pro Stück. Bei einer ihrer Taschen hat sie den genauen Preis im Kopf. Es handelt sich um eine Markentasche, die sie selbst einmal für viel Geld gekauft hat. Dafür möchte sie gerne noch 30 Euro haben. Ein junges Mädchen mit einem weißen Kleid und blonden Haaren interessiert sich für die Tasche. Sie möchte sie für 20 Euro kaufen. Das ist Vicky deutlich zu wenig. Die beiden verhandeln und einigen sich schließlich. „Ein bisschen traurig bin ich schon, dass ich die Tasche für 23 Euro verkauft habe. Ich hatte mir wesentlich mehr erhofft. „Aber ich hatte sie auch schon einige Zeit für 50 Euro auf Vinted drin und jetzt bin ich auch froh, dass ich sie verkauft habe.“
Die Stimmung an Vickys Stand
Auch bei der Spiegelreflexkamera wird verhandelt. Ein junger Mann fragt: „Was willst du dafür haben?“ „220 Euro“, entgegnet Vicky. „Die ist echt noch gut im Schuss, mit allem Zubehör und nur sehr selten benutzt. Ein Gegenangebot von 120 Euro lehnt sie schmunzelnd ab. „Freche Verhandlungsangebote kommen immer mal wieder vor. Da ist es wichtig, beharrlich zu bleiben.“
Viel los – Chance für Langfinger
Fast ununterbrochen stehen Menschen an Vickys Stand, was eine ältere Frau ausnutzt. Gerade als Vicky in ein Verkaufsgespräch vertieft ist, steckt die Frau sich eine ihrer Blusen ein und verlässt den Stand wortlos und ohne zu zahlen. Bevor Vicky es bemerkt, ist die Frau auf und davon. Für sie ist das aber nichts Neues: „Meine Mutter hat mir beigebracht, bei Schuhen nur einen Schuh auszustellen, um einen möglichen Diebstahl zu vermeiden. „Es geht mir nicht darum, dass ich mit dem Artikel nichts einnehmen konnte, sondern ums Prinzip.“
Für Barth sind Schattenseiten auch eine intransparente Wirtschaftsleistung. „Das Geld geht ohne Rechnung über den Tisch und somit ist es schwer nachvollziehbar. Außerdem findet der Verkauf von privat zu privat statt, das heißt, es gibt keine Garantie, und die Qualität wird nicht geprüft.“
Mittlerweile ist es 12:30 Uhr. Die Sonne steht senkrecht am Himmel. Die Hitze ist kaum noch auszuhalten. Jetzt befindet sich auch Vickys Stand in der prallen Sonne. Der Verkaufsstrom ebbt allmählich ab. Die ersten Stände werden abgebaut. Etwa 15 Minuten vor Ende beginnt auch Vicky, ihre Ware routiniert in durchsichtigen Plastikboxen ordentlich zu verstauen. Ihre Handgriffe sitzen. „So schnell ist es auch wieder vorbei“, stellt Vicky fest und atmet tief durch. „Nächstes Mal bin ich auf dem Flohmarkt in Schaafheim und in der Woche darauf in Bad König.“
Der Kassensturz
13 Uhr. Der Flohmarkt ist vorbei. Was sagt die Kasse? Vicky hat etwa 35 Euro inklusive der Standgebühren eingenommen. „An guten Tagen habe ich schon mal 300 Euro erwirtschaftet, aber da ging der Flohmarkt wesentlich länger. Es ist also immer eine Überraschung, welche Summe am Ende eines Flohmarktes zusammenkommt.“
Titelbild: Pauline Dörrich
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