Alex von Met at Eight an der Gitarre vor dem Mikro
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Zwischen Couchecke und Bühne – die Open Stage Night im ESG-Haus

Sofa, Snacks und eine Bühne für alle: Bei der Open Stage von ESG und UNICEF treffen ehrliche Texte auf spontane Töne und Menschen, die sich trauen, einfach loszulegen.

Zwei junge Männer mit Gitarrentaschen steigen an der Haltestelle Alexanderstraße aus dem Bus. Sie schauen sich um und wirken unsicher, wo es lang geht. Dann verschwinden sie hinter dem Tor zur Hausnummer 35. Später werden sie sich als die Band Met at eight vorstellen und auf der Open Stage performen. 

Die Open Stage Night der Evangelischen Studierendengemeinde (ESG) und UNICEF ist keine gewöhnliche Bühne. Ob jemand Gedichte vortragen, singen oder ein Instrument spielen will – die Bühne steht allen offen. „Keiner muss mit uns über Religion reden, aber alle können natürlich”, betont Leon, Mitglied des ESG-Rats. „Wir sind eine multikulturelle Gruppe – es gibt auch Muslime oder Nicht-Gläubige im ESG-Rat.” Es gehe darum, ein schönes Miteinander zu gestalten.

Vom Wohnzimmer auf die Bühne

Drinnen fallen die Menschen in blauen Shirts mit UNICEF-Aufschrift ins Auge. Die Mitglieder der Hochschulgruppe stehen in der offenen Küche, wo Snacks bereitstehen – noch unberührt, aber bereits beäugt. Wer nicht zum Organisationsteam gehört, schaut sich etwas verloren um. Der Raum wirkt wie eine Mischung aus WG-Wohnzimmer und Wartezimmer: Eine Couchecke im Eingangsbereich und eine Küche nebendran, nur viel sauberer als man das von WGs gewohnt ist.
Die eigentlichen Auftritte finden im Nebenraum statt: weiße Wände, eine improvisierte Bühne aus Europaletten, rund 40 Stühle. Noch proben die beiden Jungs mit ihren Gitarren, machen Soundcheck. Nach und nach füllt sich der Raum. Die Moderatorin tritt vor das Mikro, bittet um Applaus für alle Künstler:innen. Das ist den Veranstaltern wichtig, wie Jule, ehemalige Leiterin der Unicef-Gruppe betont: „Wir wollen eine Wohlfühlatmosphäre gestalten. Auch bei der Moderation achten wir darauf, dass alle viel Applaus bekommen und sich niemand ausgelacht fühlt. Das ist aber sowieso noch nie passiert.“

Luna’s Gedichte

Den Auftakt macht Luna mit ihren Gedichten. Sie liest leise von ihrem Papier, ohne Showeffekte, ohne große Gesten. Viele schließen die Augen, um besser hören zu können. „Ich schreibe intuitiv, meistens um Dinge und Gefühle zu verarbeiten. Dadurch kann ich mein Leben aus einer anderen Perspektive sehen“, sagt sie später. Im Publikum bleibt Nikhil ihr besonders in Erinnerung: „Ihre Texte haben mich berührt, weil sie so ehrlich und persönlich waren.“

Met at eight, ein harmonisches Team

Kurz darauf betreten die beiden Männer vom Bus die Bühne. Met at eight – das sind Alex und David. Einer singt, der andere spielt Gitarre, sie klingen harmonisch, eingespielt und souverän. Ihre Songs, darunter „Kaputtes Polaroid“ oder das noch unveröffentlichte „Wasted“, kreisen um Trennung, Zweifel und die Suche nach der richtigen Person. Indie-Pop, der unter die Haut geht, ohne sich aufzudrängen. „Beim Singen spüre ich meine Emotionen nochmal anders“, sagt Alex nach dem Auftritt. David beschreibt Musik als Ruhepol: „Sie fordert nicht und verurteilt nicht, sie ist einfach da.“ Die beiden lernten sich auf einer Open Stage in Ludwigsburg kennen. Jetzt stehen sie hier – auf einer neuen Bühne, aber mit vertrauter Dynamik. Jonas, ein anderer Act, bringt es auf den Punkt: „Die Jungs nach mir, Met at eight, waren einfach krass. Der ist Sänger ist stimmtechnisch sehr gut ausgebildet.“

Die Chansons von Rüdiger

Dann betritt jemand die Bühne, der aus dem Rahmen fällt – altersmäßig, sprachlich, musikalisch: Rüdiger Schiller aus Basel. Mit einem Akkordeon und französischen Chansons verwandelt er den Raum in ein kleines Straßencafé. Zwar versteht ein Großteil des Publikums die Sprache nicht, aber Rüdiger schafft es, alle zum Mitsingen zu bringen. Ob gewollt oder nicht – sein trockener Humor sorgt für Lacher, seine Lieder, darunter auch das englische „Let the Sunshine on Your Face“, bringen gute Laune. Das ist ihm auch wichtig: „Ich schreibe nie über etwas Negatives. Ich will Mut machen.“ Seine Inspiration bekommt er „beim Fahrradfahren vor allem in der Natur“. 

Karaoke und Küchengespräche

Nach den geplanten Acts wird es spontan. Marvin von Unicef und zwei weitere Freunde singen Karaoke. Die Stimmung ist gelöst, der Raum warm. Niemand will gleich gehen.
Danach geht es zurück in die Küche und Couchecke. Hier wird geredet, gelacht, gemeinsam gegessen – mit kostenlosen Snacks und Getränken, bereitgestellt vom ESG-Rat. Hier entsteht das, was den Abend vielleicht am meisten ausmacht: Begegnung. Für die Besucherin Adela war das ganz besonders: „Neben den Künstlern hat mir vor allem gefallen, dass man hier so leicht mit Leuten ins Gespräch kommt.“

Wie alles begann

Die Idee zur Open Stage kam vor drei Jahren. Jule von UNICEF wollte einen Poetry Slam, Leon vom ESG eine offene Bühne. Sie kombinierten beides. „Beim ersten Mal waren es zehn Leute“, erzählt Jule. „Wir haben dann einfach Werwolf gespielt.“ Beim zweiten Mal kamen 100. Heute waren es sieben offizielle Acts mit rund 40 Zuschauenden – und viele spontane Momente.

Was bleibt, ist das Gefühl: Hier darf jede:r sein. Es zählt nicht, wie perfekt man spielt oder schreibt – sondern, dass man dabei ist.

Eindrücke vom Abend

Bilder von: Anica Schubert

Weitere fantastische Acts des Abends: 

Leon (Poetry Slam), Amara Amare (Gedichte), Jonas (Gesang & Klavier), Saskia (Gesang).

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